Entwicklungstrauma – Strategien
Als ich 2009 nicht mehr wusste, wie ich meine Leistung halten oder gar ausbauen sollte. So wurde es mir angetragen über eine Reihe von Angeboten auf Veränderung und unter Einholung meiner Bereitschaft die Karriereleiter zu erklimmen, wusste ich nichts – aber auch gar nichts. Über die Motivation und die Auslöser und welche Folgen dies für meine Gesundheit hat landete ich immer wieder vei der Frage – Bin ich falsch?
Konditionierung
Was war geschehen? – Ich gehe einmal etwas zurück um das zu veranschaulichen.
Bereits vor dem Kindergarten war ich stets bemüht, den Anforderungen meiner Eltern, dann den Lehrern, später den Ausbildern und Kollegen zu genügen.
Sätze wie „Streng Dich mal mehr an, damit aus Dir einmal etwas wird“, oder „Aus Dir wird nie etwas werden, wenn Du nicht …“ ließen mich glauben ich sei noch nichts und müsse etwas erfüllen um erst etwas zu werden.
Als Kind versucht man angenommen zu sein. Man ist darauf angewiesen und ja, das Überleben hängt davon ab, dass man angenommen wird.
Und folglich orientiert man sich an Personen, von denen man meint angenommen werden zu müssen. weil sie die einzigen Bezugspersonen im Leben eines kleinen Menschen sind.
Ich nahm also die Sichtweise an ich sei Nichts und müsse erst etwas erreichen um angenommen zu werden.
Aufgrund von Erziehung und der Sichtweise sowie der Erwartung der Eltern, wie sie es selbst gelernt haben werden wir geformt.
Das Ursprüngliche, Offene, Neugierige in uns wurde reglementiert, beschnitten und als ungezogen deklariert.
Über das Belohnungs- und Bestrafungssystem wurden wir konditioniert.
Etwas ohne Vorbehalte auszuprobieren wurde mit festen Ergebniswerten verglichen und eigene Wege von vornherein in die gewünschten Bahnen gelenkt.
Ausbrüche im Verhalten oder Tun wurden bestraft und brav sein hieß alles so zu tun, wie man es von uns erwartete.
Rebellion
Da war er wieder, der Stephan, der glaubte zu spüren dass es sich das so nicht gut anfühlt und den es stets in eine Richtung zog, welche sich gut anfühlte.
Und das brachte jede Menge Ärger und Strafen mit sich.
„Wer nicht hören will muss fühlen…“ – Und ja, ich habe gefühlt. Die Ungerechtigkeit, die es mir nicht erlaubte so zu sein wie ich mich gut fühlen konnte.
Anpassung
Lange Rede kurzer Sinn, das zieht sich dann so hin, alles wird ausprobiert um sich dem Dilemma zu entziehen.
Notlügen um den Schmerzen zu entgehen, Ablenkung durch räumliche Distanz, von Zuhause weglaufen, Schutz bei Oma und Opa suchen – was eine Zeitlang wirklich gut funktionierte.
Über meine übelst schwankenden Leistungen in der Schule muss ich nicht berichten, denn es gab keine Woche, wo ich Stabilität oder gar Sicherheit spürte.
Später so schnell wie möglich von Zuhause weg und soweit dies möglich war, damals 70km zur ersten Lehrstelle.
Im Gepäck die Strategie gefallen zu müssen, um angenommen zu werden.
Diese Bereitschaft führte dazu, dass sich der Chef überaus erfreute daran, mich im ersten Lehrjahr täglich 10-12 Stunden arbeiten zu lassen und mich in der Gastronomie (damals) üblich nach 4 Wochen durchgängiger Beschäftigung dann für 2 Tage nach Hause zu entlassen um meine Wäsche von meiner Mutter waschen zu lassen.
Flucht
Kompensationsstrategie Helferlein.
Du wirst etwas, wenn Du das Gefühl hast nicht angenommen zu werden, wenn Du Anderen stets zu diensten bist. Glaubt das bloß nicht.
Dieses Helfen kommt einzig und alleine aus dem eigenen Mangelempfinden heraus. Aus der Not geboren, sich über das was man anzubieten hat zu definieren und seinen eigenen menschlichen Wert an der Anerkennung durch das Außen zu bemessen.
Dies führt schnurstracks in die Abhängigkeit und es sind in der Welt genügend Menschen zu Hause, die einen so gestrickten Charakter gerade immer so viel vor die Nase halten, dass man unter Stöhnen weiter geht und noch mehr für sie Abliefern will um sich selbst genügen zu können.
Überforderung
Jetzt springe ich wieder ins Jahr 2009.
Fünf Lehrstellen, zwei abgeschlossene Berufsausbildungen , zweiunddreißig Beschäftigungsverhältnisse und unzählige Betätigungsfelder später.
Langjährige Kompensation durch Betäuben mit Alkohol, der auch eine Aufputschende und durchaus hin und wieder eine erleichternde Wirkung erzielte.
In Summe jedoch schon 2001 zu der Erkenntnis führte, dass das der Körper nicht allzu lange mitmacht.
Aber es war gesellschaftsfähig.
Burnout
Nun, 2009 war endgültig der Ofen aus und ich hielt, worauf ich damals noch richtig stolz war bis 2012 durch, jedoch trug ich den Kopf unterm Arm und das Leben machte keinen Sinn mehr für mich.
Ich suchte von Klein auf Hilfe bei Anderen. Durch meine Erfahrung mich bei meiner Oma mitteilen zu können und mit der Tatsache im Gepäck, dass sie mir ruhig zuhören konnte und präsent blieb, konnte ich da sein.
Dass dies in unserer Gesellschaft leider nicht so funktioniert musste ich leidvoll erfahren, denn irgendwann wird es jedem einmal Zuviel und zudem kann man sich beim König schwer über eine Ungerechtigkeit des Königs beschweren.
Solidarität
Hilfe, ich bin das Opfer ist eine weitere Strategie.
Wenn ich mich bei dem, der meine Bereitschaft ausnutzt nicht beschweren kann, weil es seinen Interessen nicht gerecht wird, dann suche Dir doch bei den Leidensgenossen Solidarität.
Das war wirklich ein netter Versuch. Doch leider sieht es so aus, dass sich Menschen, wenn sie die Schwächen eines Anderen mitbekommen auch gleichzeitig die Chance mitbekommen, wie sie sich vom Schwächelnden positiv abheben können.
Also, nicht ernst nehmen. Entweder hat man bis dahin erfahren, dass jeder sich selbst der Nächste ist, oder man erfährt es dadurch.
Biologisches
Mit dem heutigen Wissen ist mir jedoch klar, dass es energetisch ganz einfach so ist, dass Alle Beteiligten in das Gefühl einer Gefahrensituation laufen.
Und die Reaktion des Einzelnen ist eine rein biologische, ausgelöst durch das zentrale Nervensystem.
Keine Sorge, ich schildere das mit der körperlichen, biologischen Reaktion in einem gesonderten Artikel noch einmal leicht verständlich und in strukturierter Form.
Rehabilitation
Rehabilitation wird in Deutschland unter dem Aspekt angeboten, um einem Menschen zu helfen, wieder in seine Leistungsfähigkeit zurück zu kommen, wenn er körperlich oder psychisch in eine Schräglage gerät, oder auch nach Unfällen oder Erkrankungen, die es dem Betroffenen nicht mehr ermöglichen in seiner bisherigen Tätigkeit das bereits geleistete Niveau aufrecht zu erhalten.
Huch.
2012 war ich in einer Einrichtung, die mich rehabilitieren sollte.
Der Aufenthalt war angenehm, der Tagesablauf durch die Programme strukturiert, das Essen reichhaltig und gut.
Auch die Ärzte, Therapeuten, Angestellten und Mitpatienten waren alle furchtbar lieb und nett.
Das Programm war, wie optimiere ich mich um das was ich nicht mehr glaube zu schaffen wieder hinzubekommen.
Zudem gab es reichlich kognitive Gehirnnahrung in Form von Vorträgen und Kursen, sowie kreative Therapien und sportliche Betätigungen.
Wirkte alles rund für mich und ich war stolz, nach sechs Wochen wieder selbst strukturieren und dabei auch gleich noch 30% mehr Arbeit erledigen zu können im gleichen Zeitraum wie ich vorher meine Arbeit nicht mehr bewältigte.
Das motiviert schon enorm.
Aber verstanden hatte ich gar nichts. Im Gegenteil. Statt Selbstfürsorge nahm ich noch mehr Ehrgeiz und Enthusiasmus mit um mich noch mehr anbieten zu können.
Wie Selbst schädigend. Das was vermittelt wurde, habe ich entweder gar nicht verstanden, oder sollte es mich täuschen, wurde unter dem Aspekt angeboten um das was erreicht wurde mir erscheinen zu lassen.
Wieder ohne es zu hinterfragen erneut zu leisten, mich in die Wiederholung der Sucht, diesmal Konsumsucht, Arbeitssucht, Leistungssucht und Abhängigkeit zu stürzen.
Selbstfürsorge
Meine Probleme auf Arbeit konnte ich bei dem damaligen Arbeitgeber nicht lösen. Ich hatte das Gefühl und die klare Formulierung des Arbeitgebers, dass mein Chef keinen Millimeter bereit war, mich in meiner Selbstfürsorge zu unterstützen und mit mir einen Plan zur Neu- oder Reintegration innerhalb seiner Abteilung zu machen.
Das Einzige, was ihm einfiel, war mir immer wieder die Eigenkündigung oder nicht zu verhandelnde Akzeptanz seiner Autorität über mich zu entscheiden.
Die Entscheidung (da steckt das Wort Scheidung drin) war für die Erhaltung meiner Gesundheit zur Eigenkündigung.
Allerdings ist es äußerst unklug, in der emotionalen Lage eines Kleinkindes und völlig dissoziiert (abwesend in Körper und Geist), in Panik und Angst eine so für die eigene Existenz wichtige Frage wie den Lebenserwerb zu entscheiden.
Resignation
Das kann ich fühlen wie ich will, da besteht auch eine Verantwortung der Firma, jemanden nicht in diese Situation zu bringen.
Dies geschah aus heutigem Kenntnisstand (Polyvagal-Theorie) daraus, dass auch der Chef im Überlebensmodus war. Und wir erinnern uns aus dem ersten Teil, unter Gefahr kennt der Mensch wie jedes Säugetier nur drei Reaktionen. Kampf, wenn dies zur Unterlegenheit führt Flucht und letztlich den Totstellreflex, ein Einfrieren der nicht auszuhaltenden Erregung, was einem voll aktivierten sympathischen- und parasympathischen Nervenzustand entspricht.
Bei Säugetieren kommt es teils noch zur Steigerung, einem kompletten Shutdown, was sich im Erschlaffen sämtlicher Muskulatur und Ohnmacht äußert. Nicht wenige kleine Wirbeltiere sterben dabei. Nicht an Verletzungen, sondern sie kollabieren in den Tod.
Kapitulation
Auf diese Eigenkündigung folgte bei mir der Zustand einer dreieinhalb Jahre anhaltenden Retraumatisierung, die als Depression eingestuft wurde. Ferner wurde ich über die Diagnoseausschlußverfahren auf ADHS diagnostiziert.
Auf dieser Diagnose forschte ich selbst weiter, denn ich wusste dass da noch was nicht stimmig damit ist in mir.
Überlebenskampf
Bis ich 2016 eine Anschlussarbeit fand, quälte ich mich selbst mit Abwertung und sich wiederholenden Vorwürfen, sowie ein permanentes Abspulen der Sätze aus der Kindheit, die bis dahin meine Glaubenssätze waren. „Du taugst nichts, aus Dir wird niemals etwas werden“ – Und es ist schon irre, dass auch ich diese Sätze, auch in der damals neuen Arbeitsstelle sehr schnell auch wieder von außen zu hören bekam.
Nicht wörtlich, jedoch über den Tadel der Fehler die ich selbstverständlich auch machte. Trotzdem ich den Weisungen sehr genau folgte, jedoch noch nicht wusste, wie der Hase da läuft. Wer mir was zu sagen hat etc.
Und darüber wurde ich wieder zum Spielball für die nächsten Macht Spielchen.
Abhängigkeit
Täter, Oper und Helfer/Retter.
Eine Abhängigkeit aus welchen Gründen auch immer, das kann der Wunsch nach Anerkennung sein, ein Bedürfnis gesehen zu werden (dies hat jeder Mensch), oder alleine aus der Not heraus, sich etwas zu Essen kaufen und die Miete bezahlen zu können, führt in eine Opfer-Haltung, wenn der betreffende Mensch in sich nicht stabil ist und sich in Sicherheit fühlt.
Sich als Oper zu fühlen oder sich so wahrzunehmen setzt einen Täter, den der einem keine andere Wahl zu lassen scheint und aus sich heraus weder auf Alternativen, noch auf Verbesserungsvorschläge eingeht, die es einem ermöglichen würden besser mit der Situation umzugehen.
Überflutung
Ohne Sicherheit (ventral-vagaler Zustand des Nervensystems), schaltet der Körper biologisch auf Gefahrensituation.
Im Detail werden über die Nebennierenrinde große Mengen an Cortisol ausgeschüttet, über den Vagus Nerv das Stammhirn alarmiert und es werden direkt die kognitiven Gehirnareale auf Sparflamme gefahren um dem Körper über Aktivierung im Sympathischen Nervensystem dem Körper alle Kraft zu Kampf oder Flucht bereit zu stellen. Ein Cocktail aus Hormonen und Botenstoffen fluten den Körper.
Man spricht dabei von Überflutung.
Bei Entwicklungstraumata oder nach Schocktraumata ist die Fähigkeit des Körpers einer korrekten Einschätzung einer Gefahr meist nicht mehr gegeben.
Window of Tolerance
Dabei spricht man vom ‚Window of Tolerance‘, innerhalb dessen der Organismus sich wieder selbst beruhigen und den Schock oder die Gefahr verarbeiten kann.
Bei Traumatisierung ist dieses Fenster verschoben und sehr eng.
Die Wahrnehmung identifiziert bei den kleinsten Übereinstimmungen von Signalen aus der Kindheit nicht aufgelösten Traumata eine potenzielle Lebensbedrohung.
Das Drama nimmt seinen Anfang.
Ein Betroffener geht körperlich in den Kampfmodus, und verliert die Kontrolle über seine Selbstregulierung.
Faktisch ist ein Betroffener in dieser Situation nicht in der Lage eigenständig in den sicheren Zustand zurück zu kehren.
Kommt nun z.B. der Chef und fordert diese Regulierung aufgrund der Eigenverantwortlichkeit des Angestellten, dann wird er zum Ziel dieser ganzen Energie.
Was passiert bei ihm? Sein Körper geht sofort auch in den Überlebenskampfmodus.
Ist da kein Verständnis, regelt die Hierarchie und die Rolle im Unternehmen, wer Über- und Unterlegen ist.
Soziale Falle
In meinem Falle konnte ich mir aussuchen, nach dem ich erneut in den Burnout katapultierte, ob ich mich der Situation und dem Chef unterwerfe und damit meine Existenz nicht aufrecht erhalten konnte, oder ob ich die Firma verlasse und dadurch meine Existenz nicht aufrecht erhalten konnte.
Das wird zur sozialen Falle.
Denn ein Sozialgesetzbuch regelt die Verpflichtungen eines Bürgers und verhängt Sanktionen, bzw. verwehrt Leistungen im Falle einer Eigenkündigung.
Eine ärztliche Bestätigung, die eine Eigenkündigung aus gesundheitlichen Gründen ermöglicht, wird solange nicht ausgestellt, solange die Ärzte und Therapeuten die oben beschriebene Problematik als mittelschwere Depression, welche mit Verhaltenstherapie parallel zu einem Vollzeitjob mit medikamentöser Unterstützung zu behandeln wäre.
Ausverkauf
Und in dieser Situation bin ich nun 2 1/2 Jahre gefangen, krank geschrieben und nicht in der Lage eine parallele Arbeit anzufangen und die alte zu verabschieden.
Die Krankenkasse ist nur eine Zeitlang zuständig, dann kommt die Aussteuerung, eine Agentur für Arbeit stellt die nicht Vermittelbarkeit des Betroffenen fest und verweist auf den Rentenversicherer, der lehnt einen Rentenantrag auf Erwerbsminderung ab und schickt mich als Betroffenen zurück zur Arbeitsagentur, parallel geschehen Akut-Therapie und Versuche selbst aus der Situation zu kommen.
Was in einer Schleife dreht, da die Gesamtsituation immer mehr Unsicherheit bringt und das ursächliche Problem der Traumatisierung durch die überspannte Situation im Gesundheitssystem nicht zur Behandlung und Beruhigung kommt. Was mir allerdings am Schwersten zu schaffen macht ist das soziale Gerüst, dessen Unterbau hier nicht geeignet erscheint um vor Harz IV zu greifen.
Körperarbeit
Was mich in die Lage versetzt, dieses Opfer, Täter und Helfer Spiel zu erkennen und was ich aus meinen Erfahrungen mit meinen Traumatisierungen gelernt habe, schildere ich Euch in den nächsten Artikeln… also bleibt dran.
Soviel sei schon einmal verraten, es gibt Auswege, selbst in scheinbar ausweglosen Situationen.